Juso-Mitglieder über die US-Wahl

Weltweit sind Leute erleichtert – genauso wie wir. Denn die US-Amerikaner*innen haben Donald Trump mehrheitlich gesagt: You’re fired! Aus jungsozialistischer Sicht ist die Hoffnung jetzt groß, dass die USA bei weltbewegenden Themen wie der Klimakrise und der Bekämpfung des Coronavirus sowie der Behebung des strukturellen Rassismus wieder mitziehen. Aber auch der Druck, der auf Joe Biden und seiner Vize-Präsidentin Kamala Harris (endlich der ersten Frau in diesem Amt!) ist entsprechend groß. Zwei unserer Mitglieder haben, aufgrund ihres besonders engen persönlichen Bezugs zu den Vereinigten Staaten besonders mitgezittert und geben uns hier Einblicke in ihr Gefühlsleben während der zähen Zeit bis zur Entscheidung und jetzt nachdem das Wahlergebnis endlich klar ist.

 

Helen-Phoebe, 27, ist in den USA aufgewachsen & dort auch wahlberechtigt:

Die vergangene Woche war geprägt von dem Abwarten auf Nachrichten aus den USA. Nicht nur für deutsche Zuschauer war es ein Schock, als Donald Trump sich bereits zum Sieger erklärte, obwohl mehrere Millionen Stimmen noch gar nicht ausgezählt waren. Man hatte in den letzten vier Jahren einiges von dem amerikanischen Präsidenten kennengelernt und sich an Arten und Umgangsweisen gewöhnen müssen, die man von vorangegangenen Präsidenten nicht kannte. Trotz dessen war diese frühzeitige Erklärung zum Wahlsieger überraschend und schockierend zugleich.

Amerika gilt als das Land der Demokratie, und in der Vergangenheit waren die Amerikaner stolze Verteidiger dieser gewesen. Diese Wahl hat jedoch Risse in der amerikanischen Demokratie zum Vorschein gebracht, die vor vier Jahren noch nicht denkbar gewesen wären. Trump hatte schon in den Wochen und Monaten vor der Wahl davor gewarnt, dass die Briefwahl anfällig für Wahlbetrug wäre. Aufgrund der Covid-19 Pandemie wollte viele Demokraten, welche eher zur Vorsicht in Sachen Pandemie neigen, die Briefwahl nutzen, um am Wahltag nicht in langen Schlangen mit vielen Menschen warten zu müssen. Republikaner hingegen, die statistisch weniger an Covid glauben, gingen stattdessen vermehrt am Wahltag in die Wahlkabine. Wie auch nach der Wahl gab es im Vorfeld keinerlei Anzeichen für einen Wahlbetrug. Der Präsident jedoch rief während der Auszählung der Stimmen in Staaten, in denen er durch die Briefwahl nicht mehr vor Joe Biden lag, wie bspw. Pennsylvania, dazu auf, die Auszählung zu stoppen. In Staaten, in denen er durch die weitere Auszählung profitieren könnte, riefen seine Anhänger vor Ort, alle Stimmen müssen ausgezählt werden.

Als Amerikanerin war dies ein neuer Tiefpunkt für mich. Schlimmer wurde es aber noch, als Donald Trump Jr. twitterte, das Beste für die USA sei der „totale Krieg“. Enttäuschend war auch, dass die Republikanische Partei sich hier nicht ausreichend von Trump distanzierte. Ich hätte mir von einer Partei, die ich persönliche nicht unterstütze, aber bisher trotzdem als legitime Partei eines demokratischen Landes erachtet habe, gewünscht, dass man mehr Rückgrat beweisen und nicht aus reiner Machtgier schweigen würde. Ausbleibende Unruhen mit Waffengewalt auf Amerikas Straßen und die größtenteils friedliche Demonstrationen der Anhänger beider Seiten sind allerdings als positive Entwicklung zu vermerken.

Diese Wahl hat allerdings auch wieder einmal die Schwächen der Meinungsforschung in den USA aufgezeigt, da, wie 2016 bereits auch, die Umfragen im Voraus nicht ganz akkurate Prognosen aufzeigten. Außerdem zeigt sich wieder einmal, dass das Wahlsystem in den USA nicht fair ist. Denn nicht jede Stimme zählt gleich viel. Als Deutsche und Amerikanerin bin ich in dem amerikanischen Bundesstaat wahlberechtigt, in dem ich zuletzt in den USA wohnte – Kalifornien. Kalifornien wählt seit 1992 in jeder Wahl demokratisch, und da hier, wie in den meisten Staaten, das Mehrheitsprinzip gilt, macht es praktisch keinen Unterschied, ob ich nun wählen gehe, da Kalifornien erfahrungsgemäß eine große demokratische Mehrheit besitzt. Es zählt nicht, wie viele Stimmen in einem Staat für eine Partei abgeben werden, sondern nur, welche Partei die Mehrheit bekommt. Und so kommt es, dass die Wahl immer wieder in Swing Staates wie Pennsylvania entschieden wird, da diese eben mal demokratisch, mal republikanisch ausfallen.

Glücklicherweise entstand aber nicht wie in den Jahren 2000 oder 2016 die Situation, dass der Gewinner der popular vote, also der Kandidat, der auf das ganze Land gesehen die meisten Stimmen bekam, verlor. Diese Probleme gilt es anzugehen, jedoch stehen nun erstmal eine friedliche Amtsübergabe von Trump an den President-elect Joe Biden an. Trump jedoch weigert sich auch nach der offiziellen Bekanntgabe der Ergebnisse diese anzuerkennen. Auch wenn Joe Biden nicht die „guten alten Zeiten“ zurückbringen kann, so ist dieses Wahlergebnis aber zumindest hoffentlich ein Ende des Schämens für die Regierung eines meiner Heimatländer.

 

Johannes, 30, ist mit meiner US-Amerikanerin verheiratet und hat seinen Beitrag geschrieben, bevor das Ergebnis verkündet wurde:

Zwischen halb vier und halb sieben Uhr am Morgen (meine Arbeit im Home-Office fängt sehr früh an) war die Post-Election-Day-Stimmung noch gut – die Ergebnisse kamen in schneller Reihenfolge rein und der Vorsprung von Vice President Joe Biden wuchs stark an. Donald Trump blieb zunächst zurück, und je nach Nachrichtenquelle mehr oder weniger weit; es dauerte ein paar Stunden, bis Fox News und die Associated Press die gleichen Ergebnisse anzeigten.

Seit ein paar Stunden bleibt der Stand Biden vs. Trump auf 238 (D) vs 213 (R) stehen. Bei den Senatswahlen herrscht ein Kopf-an-Kopf-Rennen, und auch beim Repräsentantenhaus bleibt es auch Stunden nach dem Schließen der Wahlbüros spannend. Wegen der Corona-Krise haben tausende US-Bürger:Innen per Briefwahl abgestimmt, und in einigen, entscheidenden Staaten könnte die Auszählung noch länger dauern.

Meine Stimmung und die meiner Frau – eine US-Bürgerin aus Minnesota – entwickelte sich von hoffnungsvoll (“da geht noch was!”) zu immer nervöser. Spätestens, als President Trump gegen 8 Uhr in einer Ansprache erklärte, dass er die Wahl gewonnen hätte und sich an den Supreme Court wenden würde, um den Wahlprozess zu stoppen.

Weil die Demokraten noch Briefwahlstimmen auszählen wollten, und das doch Wahlbetrug sei. Weil die Demokraten die Wahl stehlen wollten.

Das war auch der Moment in dem ich die vielzitierte Angst vor dem Untergang der Demokratie (was sich ja doch immer sehr polemisch anhört) fast körperlich spüren konnte.

Der Entertainer Jimmy Kimmel beschrieb es treffend mit This is like being awake during your own surgery.

Jedenfalls aktualisiere ich seit Stunden meinen Browser und wechsele zwischen verschiedenen Nachrichtendiensten und verfolge wie die Anzahl der gezählten Stimmen weiter wächst. Einen Landseide-Sieg wird es für keinen der Kandidaten geben, aber ich hoffe mit allem was ich kann, dass der gegenwärtige Präsident der USA – der in den letzten vier Jahren eine Atmosphäre aus Desinformation, Korruption, Rechtspopulismus, Sexismus und offenem Rassismus zum Alltag gemacht hat – in Zukunft keine Plattform für seine Lügen mehr haben wird.

Für die Zukunft der USA, für die Zukunft der Demokratie und für die Zukunft unseres Planeten brauchen wir Joe Biden und Kamala Harris.